Die
regenbogenfarben-neonleuchtenden intensiven Farbwelten, die die
niederländische Künstlerin und Illustratorin Mies van Hout (geboren
1962) in ihrer unnachahmlichen charakteristischen Bildsprache immer
wieder aufs Neue wie aus dem sprichwörtlichen Nichts ihres
bevorzugten Bildhintergrunds aus gewöhnlichem schwarzem Tonkarton im
Bewusstsein des faszinierten Betrachters explodieren lässt, wirken
wie in seltener künstlerischer Hellsichtigkeit manifestierte
Verkörperungen archetypischer Seelenbilder, die für einen kurzen,
greifbar-gegenwärtigen Moment intuitiven Verstehens aus dem Dunkel
des kollektiven Unbewussten zu uns heraufgestiegen sind, um sich
schon bald wieder – spätestens jedoch beim nächsten Umblättern –
wieder an diesen verstandesmäßig nur schwer zugänglichen Ort
zurückzuziehen. Mit nicht wenig Berechtigung ließe sich sogar
behaupten, dass die Künstlerin auf diese Art und Weise sogar ein so
komplexes Gefühl wie „Glück“ im Betrachter zu spiegeln vermag.
Dieser von der
ausgebildeten Kunstpädagogin unter Umständen in diesem Maße weder
intendierte noch vorausgesehene, jedoch ohne Zweifel weit über das
Genre des Bilderbuchs hinausweisende erfreuliche Nebeneffekt macht
ihre unscheinbaren Kunstwerke auch für den erwachsenen Leser so
überaus kostbar – auf die zahlreichen naheliegenden Möglichkeiten,
Mies van Houts Bilder etwa auch zu therapeutischen oder
meditativ-selbstreflexiven Zwecken einzusetzen, ist bereits
angesichts ihrer ersten in ihrem charakteristischen Stil gestalteten
Buchveröffentlichung „Heute bin ich“ (2012) ausführlich
hingewiesen worden: einem mit über 80.000 verkauften Exemplaren,
mittlerweile in sechster Auflage lieferbarem veritablen
Überraschungsbestseller, der im vergangenen Jahr vollkommen zu Recht
für den renommierten Deutschen Jugendliteraturpreis in der Kategorie
„Sachbuch“ nominiert war.
Ihr allerneuestes soeben
in deutscher Übersetzung erschienenes Buch „Überraschung“ ist
sogar in noch viel stärkerem Maße als visuelle Entdeckungsreise für
erwachsene Leser angelegt als das ganz der reichen Vielfalt zum Teil
unbewusst von der Gesellschaft reglementierter menschlicher Emotionen
und Affekte gewidmete „Heute bin ich“ – denn im neuesten Werk
der genuinen Künstlerin geht es um die möglicherweise
„erwachsenste“ und respektabelste, gleichzeitig jedoch auch
natürlichste, vielleicht beglückendste und lohnendste, jedoch
dabei gleichermaßen schwer in Worte zu fassende wie zu gestaltende
Themenstellung, die es auf der Welt gibt: das Abenteuer der
Elternschaft im Allgemeinen sowie der Mutterschaft im Besonderen.
Mies van Hout |
Während sich Mies van
Hout für ihr wunderbares Buch über die menschlichen Emotionen
ausgerechnet die in der breiteren Öffentlichkeit nicht gerade als
extrovertierte Stimmungskanonen bekannte Spezies der Fische als
unerwartete genialische Protagonisten ausgesucht hatte, ist es im
nicht weniger faszinierenden zweiten Folgeband passenderweise die für
ihr ausgeprägtes Brutverhalten zu Recht berühmte Wirbeltierklasse
der Vögel, die dank der unnachahmlichen Kunst der Illustratorin in
allen Regenbogenfarben und wie in universeller, nach außen
gestülpter strahlender Innerlichkeit ihr Federkleid für uns
herausputzen darf. Auf der ersten Doppelseite ist es zunächst noch
das „Wünschen“, das dem zeichnerisch auf seine unspezifische
Urform reduzierten Vögelchen als bunte Kinderschar im leuchtenden
Gefieder hängt.
Im wunderbaren visuellen
Reigen charakteristischer Wegmarken menschlicher Elternschaft darf
der Leser in zauberhaft-intuitivem Wiedererkennen so wesentliche
Stationen rekapitulieren wie die anfängliche ambivalente Erwartung
zwischen Ungewissheit und Hoffnung, das freudig-entgrenzte Staunen
über das Wunder der Entstehung neuen Lebens bis hin zum Prozess des
von zahlreichen alltäglichen Einzelaspekten wie Zuhören, Trösten
oder Ermuntern geprägten Aufziehens der Neugeborenen, das
schließlich, ganz am Ende des Buches im
unvermeidlich-unwiderruflichen elterlichen Loslassen münden muss,
das die Illustratorin in einem bereits über mehrere Doppelseiten
hinweg kunstvoll vorbereiteten vielflügeligen Aufbruch der Jungvögel
vor blauem Hintergrund im Kontrast zum liebevoll-melancholischen
Verharren der Mutter auf schwarzem Grund hoffnungsvoll ausklingen
lässt. Die unaufdringliche Sensibilität und unmittelbar zu Herzen
gehende poetische Wahrhaftigkeit der unnachahmlichen
Pastellzeichnungen Mies van Houts werden ihr bezauberndes kleines
Buch mit sehr großer Wahrscheinlichkeit zu einem absoluten
Dauerbrenner als ideales Geschenk für junge oder werdende Mütter
machen.
„Überraschung!“,
erschienen bei Aracari, 32 Seiten, € 13,90
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