Zu den erfreulichsten Ereignissen während meiner
zehnjährigen Rezensionstätigkeit für die Jüdische Zeitung, die Jüdische
Rundschau sowie zuletzt im Rahmen meines Blogs gehörten
jene seltenen, überraschenden Gelegenheiten, wenn mir bis dahin völlig fremde Menschen
unverhofft Kontakt mit mir aufnahmen, um sich ganz uneigennützig dafür zu
bedanken, dass ich das von ihnen verfasste, übersetzte, verlegte oder betreute
Werk ihrer Meinung nach besonders treffend charakterisiert, beschrieben bzw.
entsprechend gewürdigt hatte.
Da ich bis auf wenige Ausnahmen, in denen mir von
Redaktionsseite her aus den unterschiedlichsten Gründen bestimmte Bücher
vorgegeben wurden, immer nur jene Werke besprochen habe, die ich für besonders
lesenswert hielt, kam zu der grundsätzlichen Ur-Freude, die ich ohnehin beim
Lesen, Analysieren und Besprechen empfunden habe, eine mir bis dahin
unbekannte, noch umfassendere Freude, die man etwas unbeholfen, aber durchaus
zutreffend „Freude auf der ganzen Linie“ nennen könnte – oder wie es die große
Fotokünstlerin Annie Leibovitz einmal ausdrückte: „I like to like people“. Hier
aber eher: die Freude zweier Menschen über ein bestimmtes Werk, über dessen
Kern sie einander begegnen können.
Zu den nachhaltigsten und erfreulichsten Kontakten dieser Art
zählt ohne Zweifel der regelmäßige Austausch mit Professor Hans Raimund aus
Wien/Hochstraß. Im Jahr 2013 begegnete mir in der Vorschau des Klagenfurter
Drava-Verlags ein unscheinbares Buch eines mir bis dahin vollkommen unbekannten
Autors namens Virgilio Giotti (1885-1957): „Pice note, mie note/Kleine Töne,meine Töne“ so der zweisprachige Titel in Triestiner Italienisch und deutscher
Übersetzung. Ton und Themenkreis des in der Vorschau abgedruckten
Gedichtbeispiels trafen mich gewissermaßen „direkt ins Herz“ und die Lektüre
des umgehend angeforderten Presseexemplars bestätigten meinen Eindruck auf kaum
für möglich gehaltene, umfassende und wunderbare Art und Weise.
Kurze Zeit nach meiner begeisterten Rezension, in der ich
festgestellt hatte, dass es hier einen zu Unrecht übersehenen und vergessenen
Autor von unvergänglicher Universalität wiederzuentdecken gilt, meldete sich
der kongeniale Übersetzer, Professor Hans Raimund, bei mir, um mir für die
wohlwollende Besprechung zu danken und mir die komplizierte und von zahlreichen
Frustrationen gekennzeichnete Editionsgeschichte des mir lieb gewonnenen
kleinen Bandes zu erzählen, die ohne seinen jahrzehntelangen persönlichen
Einsatz (auch seinen finanziellen), vor allem aber ohne seine genuine, nachhaltige
Begeisterung für Virgilio Giotti und dessen unverkennbare eigenständige
Poetologie niemals möglich gewesen wäre.
Diese spannend-komplizierte, mir ja in Grundzügen bereits
bekannte Editionsgeschichte erzählte Professor Hans Raimund im vergangenen Spätsommer
erneut in einem Gedenkvortrag anlässlich des 60. Todestags Virgilio Giottis im Circolo della Stampa
von Triest. Ich bin dem Übersetzer, Autor und Menschen Hans Raimund, der ja selbst
auch ein virtuoser Lyriker ist, ausgesprochen dankbar, dass ich seinen Vortrag in
italienischer und deutscher Sprache an dieser Stelle wiedergeben darf, weil er
meiner Meinung nach sehr exemplarisch deutlich macht, mit welchen Freuden und
Frustrationen es der Literaturschaffende innerhalb seines kreativen Prozesses zu
tun hat, insbesondere aber auch im Verlauf des steinigen Wegs zur
Veröffentlichung. In dieser Hinsicht lassen sich die Verdienste Professor Hans
Raimunds für das Werk Virgilio Giottis kaum hoch genug bewerten!
Hans Raimund: Traducendo e pubblicando Virgilio Giotti
Im Jahr 2013 erschien
im Verlag Drava das Buch KLEINE TÖNE, MEINE TÖNE//PICE NOTE, MIE NOTE von
Virgilio Giotti: ausgewählte Gedichte (zweisprachig) und das Tagebuch
„Unnötige Notizen“. Die Übersetzung „aus dem Triestiner Italienisch ins
Deutsche“ war von mir, wie auch das Vorwort.
Die Geschichte
dieser Veröffentlichung ist sehr lang: zum einen ist sie die schöne Geschichte
einer sich jahrzehntelang durch nichts beirren lassenden Zuneigung des Übersetzers
zu den Gedichten und der Person des Triestiner Autors Giotti, zum andern aber
auch die nicht so schöne Geschichte eines Projekts der Veröffentlichung von
Lyrik in Übersetzung im Literaturbetrieb von heute.
Virgilio Giotti |
Die schöne Geschichte
1984 übersiedelte
ich mit meiner Familie nach Duino, wo Franziska, meine Frau, eine Stelle als
Lehrerin für Deutsch und Französisch am United World College of the Adriatic
angenommen hatte. Das ermöglichte mir die Verwirklichung eines lang gehegten
Traums: den der Existenz eines „freien“ Autors und Übersetzers – noch dazu in
Triest, in Italien! Ich hatte bis dahin ein paar dünne Prosa- und Gedichtbände
veröffentlicht, hatte einiges aus dem Englischen und Französischen übersetzt
und, mit einiger Kühnheit, sogar aus dem Italienischen, u.a.Texte von Sandro
Penna und Primo Levi, ganz ohne Kenntnisse der italienischen Sprache, aber im -
trügerischen - Vertrauen auf meine Schul-Kenntnisse des Lateinischen und
Französischen – vor allem aber im Vertrauen auf die exzellenten Italienischkenntnisse
meiner Frau…
In Duino hatte
ich erstmals Gelegenheit, mich ganz dem Schreiben zu widmen: d.h. dem Verfassen
eigener Texte und dem Übersetzen der Texte anderer Autoren. Damals begann ich auch
– ich war schon 40 Jahre alt! –Italienisch zu lernen. Mein Lehrer war Augusto
Debove, der am UWC
Italienisch unterrichtete. Er lernte im Austausch bei mir Deutsch, und er war
es dann auch, der später die meisten Übersetzungen meiner Texte ins
Italienische anfertigte.
Im UWC in Duino
traf ich auch mit dem Holländer Jan Louter zusammen, der am College Holländisch
unterrichtete und als Lektor an der Universität in Triest arbeitete. Er hatte Texte
Giottis ins Holländische übersetzt. Er machte mich mit dem Werk Virgilio
Giottis bekannt und empfahl mir, unbedingt Gedichte dieses damals mir völlig
unbekannten Dichters ins Deutsche zu übersetzen. Als er nach Holland
zurückkehrte, schenkte er mir das von ihm gesammelte Material zu Giotti, vor
allem Zeitungsausschnitte, und ein von ihm selbst liebevoll collagiertes
Büchlein aus Fotokopien von Gedichten Giottis, das die erste Grundlage meiner
Beschäftigung mit Giotti war und das ich, es in Ehren haltend, bis heute
besitze…
Duino/Foto: Tiesse/Wikimedia |
In Anbetracht
meiner damaligen Italienischkennnisse, vor allem aber auch in Anbetracht des
eigenwilligen Idioms, dessen sich Giotti für seine Poesie bedient, war ich
anfangs darauf angewiesen, dass ein „native speaker“ für mich die in Giottis sehr
persönlichem „triestino“ geschriebenen Texte in ein Normal-Italienisch
übersetzt. Viviana Pace, aus Triest gebürtig und auch eine Italienischlehrerin
am UWC, transkribierte für mich ausgewählte Texte Giottis.
Meine ersten Lektüre-Kontakte
mit den Gedichten Giottis waren von nichts als von vagen Ahnungen bestimmt: so
wie ein Blinder ein Gegenüber, das er nicht sehen kann – ein Gesicht, einen
Gegenstand etc - mit den Fingern
abtastet, um ein inneres Bild, eine Vorstellung davon zu gewinnen, so tastete
ich die Texte Giottis ab, mühsam buchstabierend, laut lesend, immer wieder
ratlos und meistens verzweifelt. Zugute kam mir bei dieser somnambulen Beschäftigung
mit den Texten eine mehrere Jahrzehnte, zu Zeiten manisch ausgeübte
Leseaktivität und - routine, die es mir ermöglichte, die Qualität eines Texts
schon bei einem ersten Kontakt zu erahnen, zu erraten, zu spüren, instinktiv,
aber doch präzise einzuschätzen – eine Fähigkeit, die ich auch in einer
jahrzehntelangen Tätigkeit als Rezensent für österreichische Zeitungen und
Zeitschriften üben hatte können.
Mir gefielen die
Gedichte Giottis von Anfang an, auch ohne dass ich die Texte lexikalisch oder
gar viel von ihrer Aussage verstand. Sie waren mir aber trotz ihrer
Unzugänglichkeit, ihrer Unverständlichkeit überraschend nah, vertraut,
sympathisch: ich empfand spontan Sympathie für das ICH, das ich hinter den
Texten vermutete, und ich baute derart nach und nach eine Beziehung zu diesem erahnten
ICH auf, die sich zu einer Art von Liebesbeziehung auswuchs: ja, ich war dem
Autor und seinen Gedichten in Liebe zugetan.
Hans Raimund |
Das entbehrte jedoch
nicht einer gewissen Fatalität. Denn eigensinnig von Natur aus, befasste ich mich
mehrere Jahrzehnte lesend und übersetzend mit den Texten, nicht ununterbrochen,
doch immer wieder - aber stets wie unter Zwang. Bemerkenswert ist, dass mir allein
die Texte genügten. Ich vermied instinktiv eine mögliche Klärung der zahllosen sprachlichen
und inhaltlichen Verständnisprobleme durch Befragung der Sekundärliteratur oder
durch biografisches Material, das es zu und über Giotti auch schon in den
80er-Jahren gab.
Mich derart intensiv
mit den Texten befassend, gelang mir, glaube ich, das rare Erlebnis des
Einsseins, ja der Identität des Lesenden mit dem gelesenen Text. Ich benötigte,
ja ich WOLLTE keine biografischen Informationen, keine detaillierten
Textinterpretationen, keine Geschichte der Literatur von Triest etc., also keines
der gängigen Hilfsmittel, die einem angeblich das Erfassen eines Textes
ermöglichen oder erleichtern.
Ich beschränkte
mich bewusst auf das bloße Lesen der Texte – in der in der EDIZIONI LINT TRIESTE
1986 erschienenen Ausgabe der OPERE/Colore – Altre Poesie –Prose -; unabdingbar
für das Verstehen war aber schon die kontinuierliche Verwendung von Gianni
Piguentinis NUOVO DIZIONARIO DEL DIALETTO TRIESTINO, mit dessen Hilfe ich die
mir nicht in ein Normal-Italienisch transkribiert vorliegenden Gedichte Wort
für Wort ins Deutsche übersetzte.
(Ich bekenne
hier: trotz der langjährigen Beschäftigung mit Giottis Gedichten kann ich heute
TRIESTINO weder sprechen noch wirklich verstehen, wenn ich es gesprochen höre.
Ich bin mir auch nicht sicher, ob ich den Klang von TRIESTINO, das ja zumindest
die Grundlage für Giottis eigentümliches Poesie-Idiom ist, als angenehm
wohlklingend oder gar sympathisch empfinde…)
Triest/Foto: Zinn/Wikimedia |
Was war aber
dann, nach Überwindung der anfänglichen Sprach- und Verständnisprobleme, ausschlaggebend für
meine zu konstatierende „amour fou“ für Giotti und seine Verse? Ich bin kein
professioneller Übersetzer. Ich bin ein Autor, vor allem Lyriker, der AUCH
übersetzt. Ich habe bisher selten „auf Auftrag“ übersetzt. Zumeist wählte ich
Autoren zum Übersetzen aus, deren Texte mich beim Lesen faszinierten, vor allem
weil sie so anders schrieben als ich, aber nur um dann beim Übersetzen nach und
nach und zu meiner Überraschung Gemeinsamkeiten zwischen ihren und meinen Vorstellungen,
vom dem, was Literatur ist oder sein soll, herauszufinden.So erging es mir auch
mit Giotti. Ich finde meine Vorstellungen von dem, was für mich ein „gutes“
Gedicht ist, in vielen seiner Texte exemplarisch verwirklicht.
In einem
Nachwort zu einer bibliophilen Veröffentlichung einiger meiner Texte im Jahr
2011schreibe ich unter dem Titel: IN DIFESA DEL TUONO UMILE: Io non sono capace di leggere (tanto meno di
scrivere!) poesie che abbiano come oggetto preminente la vita spirituale degli
uomini, la religione, l’esoterismo, in breve tutto ciò che trascende la
fisicità materiale. (…) L’equipaggiamento del mondo poetico che io preferisco é
il semplicemente fisico, l’ordinario quotidiano – agli occhi di alcuni, banali
– nel quale per me c’é cosí tanto di vulnerabile, e c’é abbastanza di
meraviglioso. Semplicitá, misura, ripiegamento dell’ individuale ecc. sono
proprietá del testo alle quali, credo, vale la pena di tendere – Ecco: eine Poetik „en miniature“, MEINE
Poetik, in der aber, ohne dass es mir bewusst war, anscheinend die jahrelange Beschäftigung
mit der Lyrik Giottis programmatisch zum Tragen kommt, indem Merkmale seiner
Poesie, ohne dass ich es gemerkt hatte, auch nun die meiner Poesie sind…
Ein Text – und
es ist nur einer von vielen - , in dem Giottis Poetik für mich beispielhaft deutlich
wird, ist das große, ambitionierte Gedicht DIE ALTEN, DIE DEN TOD ERWARTEN: das
poetische Material ist ausschließlich die Wirklichkeit, der banale Alltag von
alten Männern in einer Stadt am Meer und in einem nahen Hinterland: der
poetische Diskurs ist von großer Gelassenheit, bleibt zur Gänze im physischen
Bereich des Alltags-Lebens, kommt ganz ohne Metaphern, ohne jeden Verweis auf
Metaphysisches oder Religiöses aus und versteigt sich in keiner Zeile zum
„hohen Ton“; ein diskret im Hintergrund bleibendes lyrisches Ich enthält sich konsequent
jeder Weisheitsgebärde, jedes Verweises auf die Erkenntnis eventueller schicksalhafter
Zusammenhänge, jeglichen autoritären Moralisierens – ein Diskurs, der
überraschend jäh und offen endet – ergebnislos und sich jeglicher summierend tröstenden
Abrundung enthaltend - derart im Leser –
zumindest in mir – trotz des tristen Ernstes
des Sujets eine fröhliche Traurigkeit - oder traurige Fröhlichkeit - hervorrufend,
die in eine lakonische Melancholie mündet….
Virgilio Giotti |
Die nicht so schöne Geschichte
Um 2006
bereitete ich – nach über 20 Jahren Arbeit an der Übersetzung - eine für den
etwaigen Druck fertige Computer-Datei vor, bestehend aus den Gedichten im
Original, aus meinen Übersetzungen ins Deutsche und der deutschen Übersetzung
des Tagebuchs APPUNTI INUTILI. Und 2006
begann die Suche nach einem Verlag dafür
– die erst 2012 ein Ende fand.
Kein Verlag,
weder in Österreich noch in Deutschland, erklärte sich bereit, die Gedichte
eines im deutschsprachigen Raum völlig unbekannten, schon toten Dichters aus
dem Ausland in der Version eines unbekannten Übersetzers in sein Programm
aufzunehmen, d.h. die Übersetzung zu honorieren, die Rechte für den Abdruck der
Originale und die Übersetzungsrechte zu erwerben, die Kosten für die Produktion
und die Öffentlichkeitsarbeit zu tragen etc. Nur der WIESER Verlag hatte sich sofort,
allerdings chronisch vage wie immer, interessiert gezeigt und kündigte auch
prompt von 2006 bis 2013 das Buch zwei Mal im Jahr in seinen Katalogen an.
2012 war ich mit
meiner Geduld am Ende. Ich bot das druckfertige Material dem Drava Verlag an, von
vornherein bereit, die Produktion des Buches selbst zu bezahlen. Ich WOLLTE –
um jeden Preis! -, dass der Dichter Virgilio Giotti im deutschsprachigen Raum
als ein bedeutender Autor zur Kenntnis genommen wird. Der Preis, den ich dafür
bezahlte, war der Verzicht auf jegliches Honorar, auf jegliche Beteiligung am Ertrag
der verkauften Exemplare und etwaiger Nebenrechte, und der Ankauf von 70
Exemplaren des gedruckten Werks zum Bruttoladenpreis von Euro 19,80.
Ich selbst habe
seit Erscheinen des Buches zusätzlich ca. 100 Exemplare zum Autorenpreis angekauft
und sie an Freunde, an für Lyrik Interessierte, vor allem aber auch an etwaige
Multiplikatoren wie Zeitungen, Literaturzeitschriften, Bibliotheken,
literarische Institutionen im In- und Ausland geschickt…, d.h. ich finanzierte nicht
nur die Produktion, sondern auch die Öffentlichkeitsarbeit für das Buch.
Rilke-Pad, Duino/Foto: Tiesse/Wikimedia |
Die Rezeption von "Kleine Töne, meine Töne"
Auch das ist
wieder eine zum Teil schöne, zum Teil weniger schöne Geschichte. Ich hatte seit
1991 regelmäßig Übersetzungen von Gedichten Giottis und einen Aufsatz über ihn
mehr als 20 Mal in deutschsprachigen Tageszeitungen, Literaturzeitschriften und
Anthologien publiziert, vor allem in der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG, in DiePRESSE
etc. Als das Buch KLEINE TÖNE, MEINE TÖNE 2013 endlich erschien, wurde es zu
meiner Überraschung im deutschsprachigen Raum und in Italien von der Kritik und
von einem an Lyrik interessierten Publikum doch positiv zur Kenntnis genommen.
Rezensionen des
Buchs gab es u.a. in der Wiener Stadtzeitung AUGUSTIN, in der WIENER ZEITUNG,
in der italienischen Zeitschrift POESIA, in Literatur-BLOGS im Internet, wie
z.B. in PSYCHOSEMITISCHER BÜCHERBLOG, FRAU IM FRIAUL, im ONLINE MAGAZIN CULTMAG…
Am 14. 7. 2013 wurde das Buch beim MITTELFEST in Cividale präsentiert. Am 14.9.
2013 wurden im Rahmen der Sendung NACHTBILDER- POESIE UND MUSIK in Radio Österreich1
Texte aus dem Buch gelesen. Am 4. 11. 2013 stellte ich das Buch in Wien in der
ALTEN SCHMIEDE vor, im Rahmen einer „Stunde der literarischen Erleuchtung“, bei
der Mara Quarantotto, die Urenkelin Giottis, die Texte im Original las…
Einige Gedichte
in meiner Übersetzung fanden vor kurzem Verwendung in Maria Valentina Kravanjas
umfangreicher Dissertation über „DIE MALEREI DER ZWISCHENKRIEGSZEIT IN TRIEST“,
die 2016 im Verlag Leykam in Graz erschien. Angeregt durch Frau Kravanja, die,
von der Familie her, eng verbunden mit Triest ist, schickte ich vor kurzem
Exemplare des Buchs an eine stattliche Anzahl von Triestiner Institutionen und
Kulturschaffenden. Ich erhielt bisher von NIEMANDEM eine Antwort. Das
überrascht mich nicht, hatte ich doch schon bald nach Erscheinen des Buchs 2013
viele Exemplare an diverse, mir wichtig erscheinende Adressen in Triest
geschickt – und wurde, mit Ausnahme von Prof. Claudio Magris, der das Buch und
die Übersetzung lobte - wird er doch auf dem hinteren Umschlag zitiert - nicht
einer (1) Antwort oder Reaktion gewürdigt.
Antiquariat/Foto: Warburg/Wikipedia |
In der Zeitung
IL PICCOLO gab es dann doch einmal 2 knappe Besprechungen, in denen von einer
Wiederentdeckung Giottis die Rede war im Zusammenhang mit den Übersetzungen ins
Spanische und ins Deutsche. Eine liebevolle, detailliertere Besprechung
erschien in der Zeitschrift PONTE ROSSO im April 2015 von Liliana Bamboschek,
unter dem Titel „Leggere Giotti con gli altri occhi“…
Eine formelle
Kenntnisnahme durch Triest, eine Präsentation oder eine Art von minimaler „promotion“
des Buchs durch die hiesigen Institutionen oder die „Literaturgewaltigen“
erfolgte bis heute nicht. Das Buch ist
bisher in keiner Buchhandlung in Triest lagernd oder gar ausgestellt gewesen,
obwohl ich selbst Exemplare ausgeschickt habe, u.a. an die Buchhandlung
MINERVA, an die Buchhandlung im Café SAN MARCO, an die Buchhandlung UMBERTO
SABA etc…
Die
eindruckvollste Manifestation des arroganten Desinteresses der Triestiner war
aber mein Vorsprechen in dem schön altmodischen Antiquariat in der Altstadt von
Triest, vor dessen Auslage mit Publikationen zu Triest ich seit jeher immer wieder
fasziniert gestanden war. Meine Absicht war, dass es das Buch, meine(!)
Übersetzung Giottis, in diesem Geschäft zu sehen, zu kaufen gab, „auf Lager war“.
Also suchte ich eines
Tages das Geschäft auf, händigte „KLEINE TÖNE, MEINE TÖNE“, das Buch eifrig und
aufgeregt anpreisend, mit klopfendem Herzen dem dort seit Jahren anwesenden,
mir von Sehen her bekannten Verkäufer oder Besitzer aus, der mich allerdings höchst
befremdet von Kopf bis Fuß maß und, das Bändchen mit Fingerspitzen widerwillig anfassend,
ungehalten fragte: „Und was soll ich jetzt damit“? Mir war zum Weinen. Ich
stammelte: „In die Auslage stellen…. oder wegschmeissen!“ Und mich auf dem
Absatz umdrehend, verließ ich fluchtartig das Geschäft, auch in dem
Bewusstsein, wieder einmal etwas „tipicamente triestino“ erlebt zu haben.
San Giovanni di Duino/Foto: Johann Jaritz/Wikimedia |
Oft frage ich
mich doch, warum ich mich jahrzehntelang – bis heute – für den Autor Virgilio
Giotti, ohne Kosten und Mühen zu scheuen – bis zur bewussten Selbstschädigung (siehe
oben) – ihm derart treu und solidarisch, eingesetzt habe. Ja, es ist schon so
etwas wie eine „amour fou“ für den Dichter und den Menschen Giotti, der durch
seine Texte und auch später dann durch seine Biografie für mich unerhört lebendig
wurde: ja, es ist die Liebe zu dieser von so vielen Schicksalsschlägen
getroffenen Person und zum Dichter, zu seiner Dichtkunst und Sprachkunst, die
durch die Erfindung und Gestaltung eines eigenen künstlich kunstvollen, poetischen
Idioms noch anziehender, reizvoller, herausfordernder wurde, das aber auch das
Übersetzen von Lyrik noch problematischer macht, als es ohnehin schon ist
.
Wie ich im Vorwort
des Buchs feststelle, verzichte ich wohlweislich darauf, für Giottis
dialektales poetisches Idiom ein entsprechendes dialektales Idiom aus dem
deutschen Sprachraum zu verwenden, allzu unterschiedlich sind die Mentalitäten,
die in den Dialekten zum unverwechselbaren Klang werden. Ich fand mein
Auslangen, nach einigen Versuchen mit dem Wiener Dialekt, mit der Verwendung
eines zeitlosen umgangssprachlichen Idioms der deutschen Sprache.
Wenn mir derart
ein „TON“ gelang, der ungefähr dem Ton des Originals nahe kommt oder zumindest
als TON der deutschen Version „ins Ohr geht“, wohlklingend ist, dann bin ich schon
froh. Im Vordergrund stand für mich, wie bei allen Übersetzungen von Poesie von
mir, der Ratschlag des großen tschechischen Dichters Vladimir Holan, den er dem
Übersetzer seiner Gedichte, Franz Wurm gab: „Seien Sie so wörtlich wie möglich
und nehmen Sie sich jede Freiheit, die Sie brauchen, aber machen Sie daraus ein
gutes deutsches Gedicht.“
Vielleicht aber
ist die Ursache für die „idée fixe“, zu der Giotti und sein Werk für mich im
Laufe der Jahre wurde, schlicht und einfach das unbewußte Verlangen, durch den selbstlosen
Dienst am Werk Giottis, d.h. durch das Übersetzen seiner Texte, mir endlich die
Gunst und, wenn schon nicht die Anerkennung, so wenigstens die Kenntnisnahme dieser
für mich unzugänglichen, seltsam abweisenden, so verletzend desinteressierten
Stadt zu verschaffen, an deren Rand, in Duino, eben en marge, ich 13 Jahre – so gern! - gelebt habe.
Hochstrass, im
August 2017