Es
ist in unserer stets um Selbstkontrolle ringenden Gesellschaft für
den Einzelnen bei weitem keine Selbstverständlichkeit, sich der
gesamten Bandbreite seiner möglichen Emotionen und Affekte nicht
nur vollauf bewusst zu sein, sondern diese – sofern sie keinem
anderen Menschen zu schaden vermögen – ganz unbefangen auch
offen auszuleben: unserer ureigenen individuellen Menschlichkeit
können wir auf diese Weise, ohne eine hinderliche Ahnung von
Peinlichkeit oder Schuldgefühlen, nur umso deutlicher Ausdruck
verleihen.
So
ist es kein Zufall, dass ausgerechnet ein Kinderbuch – denn Kinder
wollen wir doch umso mehr vor den eigenen Fehlern bewahren –,
welches im Übrigen völlig zu Recht mit einem prominenten
Eintrag auf der Auswahlliste zum Deutschen Jugendliteraturpreis 2013
in der Kategorie „Sachbuch“ geadelt wurde, den bewundernswerten,
hochauf gelungenen Versuch unternimmt, diese einfache Binsenweisheit,
nämlich dass es „okay ist, sich so oder so zu fühlen“,
mit äußerst verfeinerten, aber absolut kindgerechten
künstlerischen Mitteln genau so umzusetzen, dass man als naiver
Betrachter intuitiv die tiefe, fundamentale Schönheit in den
einzelnen darin porträtierten Emotionen zu entdecken vermag.
Die
niederländische Künstlerin Mies van Hout hat in ihrem
bereits im vergangenen Jahr in deutscher Übersetzung
erschienenen wunderbar verspielten Bilderbuch „Heute bin ich“ mit
auf schwarzem (Meeres-)Grund besonders verheißungsvoll
leuchtenden bunten Pastellkreiden die gemeinhin eher als beispiellos
unterkühlt-emotionslos verrufene Spezies der Fische in Szene
gesetzt, die bei ihr in zwanzig verschiedenen „Stimmungsbildern“
in allen Regenbogenfarben enigmatisch schillern und auf geradezu
genial verspielte Art aufs treffendste ihre jeweilige Stimmung
offenbaren dürfen.
Laut
Begründung der gewohnt sachlich formulierenden Jury vermitteln
van Houts Zeichnungen „viele Impulse, um mit kleineren
Kindern über die dargestellten Gefühle ins Gespräch zu
kommen“. Dabei ist es ein
offenes, ausgesprochen leicht zu durchschauendes Geheimnis, dass
insbesondere Erwachsene sehr positiv auf dieses außergewöhnliche
Buch reagieren, da diese – anders als Kinder – insbesondere in
ihrem beruflichen Alltag in viel stärkerem Maße dazu
neigen, essentielle Gefühle wie Neugierde, Zorn oder Langeweile
nicht frei zu äußern.
So
scheint es in letzter Konsequenz nur überaus folgerichtig, dass
der Verlag – beflügelt vom verdienten Erfolg des Buches –
nun auch ein schmuckes Briefkartenset mit den zwanzig einzelnen
Bildmotiven des Buches herausgebracht hat, das neben seinem
offensichtlichen Nutzen als künstlerisch-schönes
Gebrauchsobjekt, mit dem man seine Mitmenschen auf wunderbare Art und
Weise zu trösten, ermutigen oder zu überraschen vermag, nun
ohne Zweifel auch mit großem Gewinn für therapeutische
Zwecken bei Kindern wie auch bei Erwachsenen eingesetzt werden kann.
Es
ist eine wahre Freude, selbst noch den verwackelten Strich der
Nervosität, die zerzausten Schuppen des Neids, aber auch die
gespitzten Lippen der Zufriedenheit, die weit geöffneten,
fokussierten Augen der Neugier und die erhabene, selbstentrückte
Pose des reinen persönlichen Glücks zu betrachten. Ein
Porträt jedoch unterscheidet sich von allen anderen: hier
dominiert der undurchdringlich-schwarze Untergrund des unbekannten
Meeres, in das ein kleiner, besonders unauffällig aussehender
Fisch mit sehniger, deutlicher Körperspannung unbeirrt und MUTIG
hineinschwimmt. Eine solche nachhaltige Ermutigung, uns der gesamten
Bandbreite unserer Gefühle immer wieder aufs Neue zu stellen,
ist Mies van Hout mit ihrem einzigartiges Bilderbuch auf kongeniale
Weise gelungen.
„Heute bin ich“, erschienen bei Aracari, 42 Seiten, € 13,90
Kunstkartenset „Heute bin ich“, 20 Bildkarten mit Umschlägen, erschienen
bei Aracari, € 18,-
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