Während Robert
Scheers Geschichten geradezu federleicht, beschwingt und geschliffen
daherkommen, sich die tiefgreifende Doppelbödigkeit seiner Literatur eher durch
Nebensätze, ungewöhnliche metaphorische Kontraste oder zwischen den Zeilen ins
Bewusstsein des Lesers schleicht, erweist sich der Autor im Interview als
messerscharfer Analytiker gesellschaftlicher Missstände und als Mann von klaren
Worten und großer Urteilskraft. Bereits im Oktober konnte ich ihm einige Fragen
zu den verschiedenen Themenkomplexen seines Buches stellen, die er sehr
ausführlich und ausgesprochen originell beantwortet hat:
Onkel Sauberger,
dessen Name allein schon eine Beleidigung für einen orthodoxen Juden ist, nimmt
in Deinen Geschichten eine ausgesprochen autonome, lebensbejahende Position
ein, in den zahlreichen ihn umgebenden Konflikten erscheint er geradezu als
weiser erhabener Ruhepol. Ist der Verzehr von Schweinefleisch nur ein
vorübergehender Trost oder die Antwort auf alle Fragen, die Erlösung?
Schweinefleisch
ist etwas, das im Nahen Osten tief gehasst wird. Die Araber und Juden hassen
beide das Schweinefleisch. Für meinen Vater – ein Jude, dessen Mutter in
Auschwitz war – liebt nur Schweinefleisch. Für meinen Vater ist Schweinefleisch
alles, wie auch für Onkel Sauberger das Schwein alles ist. Der Charakter Onkel
Sauberger ist eine Mischung von meinem Vater und Shakespeares Falstaff. Onkel
Sauberger mag gut essen und trinken, er genießt das Leben und dadurch ist er
eine Art Gegenpol zu den Deutschen, die ein Problem haben, das Leben zu
genießen. Kurzum: Onkel Sauberger ist nichts anderes als die Zukunft der
Literatur. Vielleicht sogar der Deutschen, wer weiß.
Vielen Geschichten
in Deinem Buch stellst Du als Motto utopistische Zitate aus den Werken Theodor
Herzls voran, die aufgrund der von Dir beschriebenen Realität einen
komisch-absurden Kontrapunkt liefern. Mit welchen Gedanken oder Gefühlen hast
Du Theodor Herzl gelesen?
Theodor Herzl
heisst eigentlich Herzl Tivadar und stammt aus Ungarn. Meine Muttersprache ist
Ungarisch. Die meisten Dinge, die Herzl als realistisch in seiner Utopie
empfand, sind heute nur lächerlich.
Das
Lächerlichste daran ist, dass ein Mensch der österreichisch-ungarischen
Monarchie ein jüdisches Österreich-Ungarn im Nahen Osten gründen wollte.
Theodor Herzl dachte ernsthaft, dass die Araber die Juden lieben würden, wenn
der Lebensstandard steigen wird. So ist es eben nicht geschehen. Die Araber betrachten
die Juden nicht als Retter, sondern als diejenigen, die ihr Land geraubt haben.
Herzl Tivadar war ein Kind seiner Zeit, eine Zeit, in der in Europa die Rasse
und der Imperialismus eine große Rolle gespielt hatten.
Israel ist aber
nicht Europa. Bis in den Achtzigern war Israel mehr oder weniger europäisch.
Seitdem verliert in Israel das Europäische an Kraft. Israel ist nicht Europa.
Israel ist seit den Achtzigern mehr und mehr nahöstlich geworden. Auch hier
hatte Herzl unrecht: Israel ist kein Europa, kein Österreich-Ungarn, keine
Monarchie, keine Aristokratie, leider nur noch wenig Demokratie.
Die Idee des
Zionismus ist in der Zeit des europäischen Imperialismus entstanden und hat
vielen verfolgten Juden im 20. Jahrhundert Hoffnung auf ein besseres Leben
gegeben. Inwischen ist die Enttäuschung groß, viele zionistische Paradigmen
mussten korrigiert werden, selbst der Versuch eines friedlichen Ausgleichs mit
den Nachbarn scheint geradezu ausweglos. In einer Deiner Geschichten schreibst
Du : „die Lösung besteht hier aus Konflikt“ und „Frieden scheint in diesem Teil
der Welt ein unerreichbarer Traum zu sein“. Ist eine ironische Haltung die
einzig mögliche in diesem Konflikt?
Nein, meine Haltung ist nicht ironisch, sondern
realistisch. Ironie ist bloß das einzige Instrument in der Literatur, das nicht
eindimensional ist. Deswegen benutze ich Ironie oft in meiner Kunst. Dennoch
bin ich ein Realist. Und man muss den Konflikt im Nahen Osten realistisch
betrachten.
Was heißt realistisch?
Realistisch heißt den Konflikt im Nahen Osten zu verstehen, und wenn wir den Konflikt verstehen wollen, sehen wir, dass der Frieden im Nahen Osten aus Konflikt besteht.
Was heißt das? Was heißt Frieden besteht aus Konflikt?
Diese Frage zu beantworten ist einfach. Alle reden über Frieden und meinen damit wirklich Konflikt. Also die Lösung des Konflikts im Nahen Osten besteht nicht aus Frieden, das Problem des Konflikts wird nicht gelöst, sondern wird weiter gehen. Es gibt keine Lösung und es wird keinen Frieden geben, keinen wirklichen Frieden. Wer noch an Frieden im Nahen Osten glaubt ist ein Träumer, nicht ein Realist. Wir wollen die Dinge aber realistisch in Augenschein nehmen.
Deswegen muss ich sagen: Konflikt ist in Israel Frieden und Frieden ist Konflikt. Diese Aussage ist, was man dialektisch nennt. Wenn man in Israel über Frieden redet, meint man Konflikt. Für alle Parteien im Nahen Osten, für Araber und Juden, scheint der Konflikt die Lösung zu sein. Über Frieden redet man, aber das Gerede über Frieden ist eine Täuschung. Im Nahen Osten will wirklich keiner Frieden. Je mehr man über Frieden redet, desto weniger will man Frieden. Und es wird immer wieder und immer wieder viel über Frieden geredet.
Im Nahen Osten sagt man eines und meinst damit das Gegenteil von dem was man sagt. Wenn man Frieden sagt, meint man Konflikt. Deswegen wird im Nahen Osten in der Zukunft statt Frieden doch Konflikt herrschen. Alle, fast all Beteiligten im Nahen Osten haben das größte Interesse an Konflikt und nicht an Frieden.
Wir müssen uns nur etwas Kleines merken: Wenn man über Frieden redet, redet man tatsächlich über das Bestehen des Konflikts. Das ist keine Ironie, sondern die Realität.
Was heißt realistisch?
Realistisch heißt den Konflikt im Nahen Osten zu verstehen, und wenn wir den Konflikt verstehen wollen, sehen wir, dass der Frieden im Nahen Osten aus Konflikt besteht.
Was heißt das? Was heißt Frieden besteht aus Konflikt?
Diese Frage zu beantworten ist einfach. Alle reden über Frieden und meinen damit wirklich Konflikt. Also die Lösung des Konflikts im Nahen Osten besteht nicht aus Frieden, das Problem des Konflikts wird nicht gelöst, sondern wird weiter gehen. Es gibt keine Lösung und es wird keinen Frieden geben, keinen wirklichen Frieden. Wer noch an Frieden im Nahen Osten glaubt ist ein Träumer, nicht ein Realist. Wir wollen die Dinge aber realistisch in Augenschein nehmen.
Deswegen muss ich sagen: Konflikt ist in Israel Frieden und Frieden ist Konflikt. Diese Aussage ist, was man dialektisch nennt. Wenn man in Israel über Frieden redet, meint man Konflikt. Für alle Parteien im Nahen Osten, für Araber und Juden, scheint der Konflikt die Lösung zu sein. Über Frieden redet man, aber das Gerede über Frieden ist eine Täuschung. Im Nahen Osten will wirklich keiner Frieden. Je mehr man über Frieden redet, desto weniger will man Frieden. Und es wird immer wieder und immer wieder viel über Frieden geredet.
Im Nahen Osten sagt man eines und meinst damit das Gegenteil von dem was man sagt. Wenn man Frieden sagt, meint man Konflikt. Deswegen wird im Nahen Osten in der Zukunft statt Frieden doch Konflikt herrschen. Alle, fast all Beteiligten im Nahen Osten haben das größte Interesse an Konflikt und nicht an Frieden.
Wir müssen uns nur etwas Kleines merken: Wenn man über Frieden redet, redet man tatsächlich über das Bestehen des Konflikts. Das ist keine Ironie, sondern die Realität.
Tel-Aviv ist
heute auch für viele Deutsche ein interessantes Reiseziel, da man dort exzessiv
feiern und wie im Rausch das Leben genießen kann. Worin besteht die Faszination
von Tel-Aviv und wie würdest Du das dortige Lebensgefühl beschreiben?
Persönlich habe
ich Tel-Aviv nie gemocht. Im Grunde ist Tel-Aviv eine hässliche Stadt, voll mit
dummen Leuten. Es stimmt aber, dass in Tel-Aviv viel gefeiert wird. Dort lebt
man so, als gebe es kein Morgen. Man will feiern, bis man nicht mehr kann, und
am nächsten Tag fängt alles von vorne an.
In Tel Aviv gibt
es keine Hemmungen, im Grunde ist dort alles das Gegenteil von Deutschland.
Hier denkt man über Rente und Sparen nach, in Israel weiß man ja nicht, ob man
morgen überhaupt leben wird. Die Gefahr, in der ein Israeli sich ständig
befindet, wird mit Party-Exzessen regelrecht religiös gefeiert. Tel-Aviv ist zweifellos
interessant, für mich aber nicht, denn ich kenne den Ort und die Leute. Es ist
eine Orgie von Eskapismus und Heuchelei.
Übrigens: der
beste Club in Tel-Aviv gehört meinem besten Freund. Er heisst „Breakfast Club“.
Wenn jemand nach Israel will, sollte er unbedingt den Club meines Freundes
besuchen. In meinem Buch beschreibe ich ausführlich meine Erfahrungen in
Tel-Aviv und das Nachtleben dort.
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