Während der von
den deutschen Medien mit träge-gehässiger Persistenz – wenn auch nicht ganz
unschuldig – auf die Rolle des ungelenken Trottels mit fataler Vorliebe für
dumme, aber hübsche, wenn auch allzu junge Frauen abonnierte
Fußball-Rekordnationalspieler Lothar Matthäus („Ich habe in meinen Beziehungen
immer mehr gegeben als zurückbekommen“) in seiner jüngst erschienenen
Autobiografie auf ebenso überraschende wie eindrückliche und bewegende Art und
Weise sein Kurzengagement als Trainer des israelischen Fußballclubs Maccabi
Netanya schildert, widerfährt ihm gleichzeitig von gänzlich unerwarteter Seite
so etwas wie späte literarische Genugtuung: der Tübinger Schriftsteller und
Philosoph Robert Scheer hat ihn zum sympathischen Helden einer satirischen
Erzählung in seinem großartigen literarischen Debüt „Der Duft des Sussita“
gemacht, in der er eine aberwitzige Handlung rund um dessen von zahlreichen
kulturellen Missverständnissen geprägtes Trainerengagement im jüdischen Staat
entfaltet und die so voller treffsicherer Pointen ist, dass man aus dem Staunen
und Lachen kaum herauskommt:
„Hier
isst man nur Koscheres [...]
So,
habe ich gehört, sagte Lothar Matthäus. Kann man so etwas essen und genießen?
Nö.
[...] Auf gar keinen Fall sollte man koscheres Essen zu sich nehmen. Es sei
Gift. [...] Wenn man mit mir zusammen isst, isst man nur gutes Essen“
Sagt
Onkel Sauberger, die wohl unvergesslichste Figur des Buches, eine geradezu
messianische Gestalt, die eine ganz eigene überraschende Antwort auf die
Herausforderungen des Lebens in Israel und auch einen möglichen Ausweg
bereithält: den reichhaltigen und ungehemmten Verzehr von Schweinefleisch:
„Alle Sorten, gebratene, rohe, gekochte, kalte und warme Gerichte“
Robert
Scheer wurde 1973 im rumänischen Siebenbürgen geboren, besser bekannt auch
unter der Bezeichnung Transsilvanien – deshalb darf man ihn wohl mit Fug und
Recht als „Graf Dracula der jungen deutschen Literatur“ bezeichnen. Seine
Muttersprache ist Ungarisch; 1985 wanderte er mit seinen Eltern und seinem
Bruder nach Israel aus, wo er nach seinem Militärdienst und einer gescheiterten
Karriere als Rockmusiker ein Philosophistudium begann, welches er aus Liebe zu
Hölderlin in Tübingen fortsetzte, wo er auch heute lebt.
Israel
ist ein Land so vieler Widersprüche, dass ein denkender Mensch, ein Philosoph
noch dazu, nicht umhin kommt, sich zu diesen Widersprüchen zu positionieren.
Robert Scheer hat dies geographisch getan, aber auch literarisch: mit scharfem
politischen Verstand, Ironie, Sarkasmus, Skepsis und einem ungewöhnlich
ausgeprägten unnachahmlichen Talent zur doppelbödigen Satire. Seine Texte
erinnern an den frühen Ephraim Kishon, als dieser noch politisch war; er hat
ein ungeheures Talent zur Schöpfung und auch sprachlichen Ausgestaltung
unvergesslicher Charaktere, unter denen besonders der bereits erwähnte und
wörtlich zitierte, schillernde Onkel Schlauberger herausragt, den man ohne
jegliche Vorbehalte als ganz großen literarischen Wurf bezeichnen darf, dessen
Geschichte mit diesem ersten Buch mit großer Sicherheit noch nicht gänzlich
auserzählt ist.
Aber
Robert Scheer schreibt keine Comedy. Seine Texte offenbaren reale Abgründe, die
man nicht überwinden, sondern allenfalls aushalten kann. Und so erleben wir in
seinen Texten eine kritische Beschreibung israelischer Verhältnisse, wie es sie
in dieser Form noch nie in deutscher Sprache gegeben hat.
Gleichzeitig
ist Israel aber auch – vielleicht gerade aufgrund eines permanenten Gefühls der
Krise - ein Land unbändiger Lebensfreude; und dauch dafür gibt es zahlreiche
Beispiele in Robert Scheers Buch, etwa eine wunderbare Liebesgeschichte in
„Front Catering GmbH“ oder die absurde Geschichte eines ultraorthodoxen Juden,
der die biblische Aufforderung „Seid fruchtbar und mehret euch!“ allzu wörtlich
nimmt und seinen Lebensunterhalt ausschließlich als professioneller
Samenspender bestreitet. „Der Duft des Sussita“ ist das wohl ungewöhnlichste
Debüt eines jungen deutschsprachigen Schriftstellers seit langem, das hohe
Erwartungen an zukünftige Bücher dieses originellen Autors weckt.
„Der Duft des Sussita“, erschienen bei Hanser Berlin, 157 Seiten, € 16,90
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen
Hinweis: Nur ein Mitglied dieses Blogs kann Kommentare posten.