In der vergangenen Woche
wurde in Berlin der Preis der deutschen Musikindustrie verliehen, der
„Echo“. Die bewusste Verwendung eines grammatikalisch falschen
Artikels soll vermutlich davon ablenken, dass es sich bei diesem
symbolischen Echo nicht etwa um eine qualitative Auszeichnung
handelt, mit dem besondere künstlerische Leistungen prämiert
werden, sondern um das ganz real-messbare Echo des Publikums, das
sich in den aufgelaufenen banalen Verkaufszahlen des vergangenen
Jahres niedergeschlagen hat: der „Echo-Award“ ist die Feier
bereits erzielter Umsätze, eine zweite ideelle Belohnung für den
bereits erzielten materiellen Lohn, die der Künstler im besten Fall
schon in Form einer „goldenen Schallplatte“ erhalten hat. Nun ist
zunächst nichts daran auszusetzen, wenn eine Branche sich und ihre
Erfolge publikumswirksam feiert, es gibt kaum einen Wirtschaftszweig,
der nicht versucht, sich einen vergleichbaren Rahmen zu schaffen, um
sich und das von ihm Geleistete für seine Begriffe auf angemessene
Art und Weise zu präsentieren. Für besonders herausragende
künstlerische Leistungen gibt es ja den renommierten „Preis der
deutschen Schallplattenkritik“.
Dennoch scheint der
„Echo-Award“ als kommerzielle Auszeichnung durchaus symptomatisch
für den Zustand unserer Gesellschaft sowie unseres politischen und
wirtschaftlichen Zusammenlebens. Ein bereits honorierter Erfolg ist
nicht nur der größtmögliche gemeinsame Nenner, man muss sich weder
inhaltliche Gedanken machen noch nennenswerten Widerspruch fürchten,
da man sich durch das objektiv verifizierte, scheinbar
„demokratische“ Ergebnis bereits angemessen abgesichert und
bestätigt fühlt. Für das öffentlich-rechtliche Fernsehen ist die
Übertragung der „Echo-Gala“ somit ein idealer Quotenbringer: die
auszuzeichnenden Künstler sind ja bereits die erfolgreichsten –
wer sollte die nicht sehen wollen! Angesichts des Wissens um die
allgemein bekannte Tatsache, dass der „Echo“ ein Kommerzpreis
ist, offenbart das nun öffentlich zur Schau gestellte Befremden und
die wachsende Ablehnung darüber, dass nach einer längeren
irritierenden Vorgeschichte nun eine deutschsprachige Band aus
Südtirol, die im begründeten Verdacht rechtsradikalen Gedankenguts
steht, einen Preis in der Kategorie „Rock/Alternative“ zuerkannt
bekommen hat, ein fundamentales Dilemma: Es gibt zahlreiche Hinweise,
dass sich rechtes und völkisches Gedankengut unwidersprochen im
gesellschaftlichen Mainstream breitmacht, aber man weiß nicht, wie
man darauf reagieren soll.
Objektiv ist es richtig,
dass dieser Band der Preis zuerkannt wurde: das von ihr (trotz
diverser offizieller Distanzierungen) vertretende Weltbild ist ja
nicht Inhalt der Vergabekriterien, sondern allein ihr kommerzieller
Erfolg. Diskussionswürdiger ist da schon, dass die ARD in
liebedienerischer Haltungslosigkeit die Preisvergabe an die Band in
vorauseilendem Gehorsam bewusst so terminiert hat, dass diese ihr
Konzert am selben Abend nicht etwa absagen oder verschieben musste
und ihre Mitglieder in der sorgfältig vorbereiteten und vom Blatt
abgelesenen „Dankesrede“ (die in Wirklichkeit ein einiger Vorwurf
war) ihre verlogene Außenseiterposition als unverstandene aufrechte
Idealisten präsentieren und der inhaltlichen Ablehnung des Preises
Ausdruck verleihen konnten. Von den anderen Prämierten wurde
keinerlei nennenswerte Ablehnung artikuliert – wozu auch, es hätte
ja ihre eigene Auszeichnungswürdigkeit in Frage gestellt: wo kommen
wir denn da hin, wenn wir jetzt plötzlich qualitative oder gar
moralische Kriterien aufstellen würden, man möchte sich gar nicht
ausmalen, wer dann alles ohne Preis nach Hause gehen müsste! Man
darf also ohne Einschränkung behaupten, dass dieser Auftritt die
Vergabepraxis des „Echo-Awards“ ad absurdum geführt hat. Vor
allem aber stellt er auf drängende Art und Weise unseren gewohnten
Umgang mit radikalen Positionen in Frage.
"Lügenpresse"/Foto: Opposition24.de |
Nicht wenige Menschen in
unserer Gesellschaft fühlen sich offensichtlich wohl in der
theatralisch zur Schau gestellten, durch und durch passiven Position
des unverstandenen Verlierers, der immer nur einen drauf kriegt, sei
es vom Staat, vom Arbeitgeber, vom Partner oder gar von den ihrem
Eindruck nach ungefiltert ins Land strömenden ausländischen
Konkurrenten ums verdiente Lebensglück. Gar nicht erst zu reden von
der allgegenwärtigen „Lügenpresse“. Ist eine rechtsradikale
Position weniger problematisch, wenn sie zunehmend Verbreitung findet
oder sogar zu einer Mehrheitsposition wird? Ist ein etwaiger
allmählicher Wandel zur Mehrheitsposition der Zeitpunkt, an dem man
aus falsch verstandener Beugung unter das Prinzip der Demokratie
schweigen muss? Der Erfolg der von der kaufmännischen Jury
prämierten Band ist ein wichtiger Indikator für das unbestimmte
Lebensgefühl einer nicht kleinen Gruppe innerhalb unserer
Gesellschaft. Diese Tatsache zu verdrängen, wäre ausgesprochen
gefährlich, ein Verschweigen des Ganzen oder Lamentieren darüber,
lächerlich. Angesichts wachsender Akzeptanz radikaler Positionen ist
es wichtig, auf breiter gesellschaftlicher, politischer und
wirtschaftlicher Basis nachhaltige positive Konzepte zu erarbeiten,
die eine attraktivere Alternative zum Phlegma des Verlierers anbieten
und zum selbstbestimmten Handeln ermutigen.
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